Bier im Sinkflug?

Bier im Sinkflug?

Es ist kein belangloses Sommerloch-Thema. Stefan Blaschak, Geschäftsführer der Oettinger Brauerei, warnt in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen vor einer bevorstehenden „Pleitewelle“. „Die Brauereien werden wie Fliegen von der Wand fallen“, so seine düstere Einschätzung. Worte, die drastisch klingen – und doch stützen die Zahlen seine Sorge. Denn nach Angaben des Statistischen Bundesamtes ist der Bierabsatz in Deutschland im ersten Halbjahr 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,3 Prozent beziehungsweise 2,62 Millionen Hektoliter auf rund 39 Millionen Hektoliter gesunken (ohne alkoholfreie Biere und Malztrunk).

Kipppunkt für die Branche?

Dabei ist der Rückgang kein neues Phänomen. Schon seit Jahren schrumpft der Durst nach Gerstensaft langsam, aber stetig. Doch jetzt könnte ein Kipppunkt erreicht sein. Blaschak spricht gar von einem drohenden „Erdrutsch“. Immer mehr kleine Brauereien geben auf. Und auch der große Player Oettinger zieht Konsequenzen: Der Standort Braunschweig wird geschlossen. Eine Entscheidung, die selbst dem Chef „extrem weh“ tut.

Bröckelnder Bier-Mythos 

Die Statistik untermauert den Befund: 2024 verzeichnete Deutschland den niedrigsten Bierabsatz seit den 1990er-Jahren. Der Pro-Kopf-Konsum sank in sieben Jahren um zehn Liter. Ein gesellschaftlicher Trend? Oder schlicht eine Folge steigender Kosten und wachsender Konkurrenz im im Regal der Freizeitgetränke?

Vielleicht beides. Sicher ist: Der Mythos vom unerschütterlichen Bierland bröckelt. Und mit ihm ein ganzes Kulturgefühl. Alkoholfreie Varianten boomen. Internationale Bierstile haben ihre Fangemeinde. Die Lust am Bier ist nicht verschwunden. Sie sucht nur neue Formen.

Klingt nach Krise. Oder nach Chance? Manchmal ist ein drohendes Ende einfach der Anfang von etwas Neuem.

Aufschwung ohne Promille

Der Deutsche Brauer-Bund verweist zugleich auf eine erfreuliche Entwicklung: Alkoholfreie Biere sind zum Wachstumsmotor geworden. Über 800 Marken, ein Marktanteil von inzwischen neun Prozent – bald wird jedes zehnte in Deutschland gebraute Bier alkoholfrei sein. Pils ohne Promille legt zu, Radler ebenso, und kein anderes Segment hat in den vergangenen Jahren so stark gewonnen. Innovation zeigt sich also nicht nur in Sortenvielfalt, sondern auch in neuer Leichtigkeit.

Vielleicht ist das die eigentliche Pointe: Während das traditionelle Bier kämpft, erfindet sich die Branche mit alkoholfreien Varianten neu. Ein Abschied vom Gewohnten – und zugleich ein Aufbruch in eine bewusstere, alkoholärmere Zukunft.

Prost – mit gutem Gewissen.

 

Quellen: Augsburger Allgemeine; Deutscher Brauer Bund 
Illustration: wegro communications

Kommentare

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Tobias73 • vor 1 Stunde
Ich trinke und taste - wie viele hier - viele Biere, kaufe Bier jedoch nicht kastenweise. Noch vor 30 Jahren hab ich beim Praktikum auf dem Bau miterlebt, wie jeden Abend eine Kiste Export leer war. Da haben viele ganz andere Mengen weggeworfen. Das gleiche ich mit allem Tasten und mal ein Bier zum Essen im Lokal nicht aus. Und die aktuellen "nachwachsenden jungen Leute" trinken neben Bier alles mögliche andere. Im Edeka in unserem Ort ist der hier beschriebene Trend 1:1 am Kühregal nahe der Kasse abzulesen. Es waren mal 3 von 6 Fächer Bierflaschen und Dosen. Inzwischen ist es ein 3/4 Fach.
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Holger74 • vor 4 Stunden
@weesels, aber wie paar Leute hier können nicht den Trend ausgleichen 🙄
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weesels1703 • vor 5 Stunden
Also an mir kanns nicht liegen … 😅
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BassMoBill • vor 6 Stunden
Ich denke, man muss einfach den Wandel der Gesellschaft und den damit ein hergehenden Wandel der Ansprüche mit berücksichtigen. Auch in dieser Industrie ist es nicht anders wie in anderen Industrien, wer stehen bleibt, fällt zurück beziehungsweise verliert Marktanteile. Nehmen wir das beste Beispiel Augustiner in München hat verstanden ein sensationelles alkoholfreies Bier auf den Markt zu bringen. Das Ergebnis ist, dass dieses Bier im Umkreis von München, Heiß gesucht und Kästen für bis zu 40 € gehandelt werden. Wer es versteht, den Trend des Markts mitzugehen und mit guten Produkten zu versorgen der wird auch in Zukunft keine Absatzprobleme haben. Aber auch hier gilt den Trend zu erkennen, zu verbessern, mitzugehen oder wie bei den vielen Craftbieren Trends neu zu setzen. Stillstand bedeutet Rückschritt. Warum soll es bei der Brauindustrie anders sein als bei der Automobilindustrie?
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Max (BeerTasting) • vor 12 Stunden
6,3% weniger Absatz als im vorherigen Zeitraum ist wirklich ein irre hoher Wert! Zwar ist das aus gesundheitlicher Sicht zu begrüßen, andererseits ist es für Wirtschaft, Kultur und Arbeitsplätze eine Katastrophe. Wie seht ihr das Thema?
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rasmussen-hh • vor 4 Stunden
Im Grunde stimmt der Trend. Weniger Bier, dafür bewusster und mit mehr Genuss. Die gut gebrauten Craft Biere haben es nicht verdient, „einfach so“ weggeschluckt zu werden. Ich trinke ein Bier jeder Sorte, bewerte hier in der App und genieße es.
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