Dieses Buch riecht nach Holztisch, hört sich nach Krügelklirren an und liest sich wie ein langer Abend mit guten Freunden und Freundinnen. Jaroslav Rudiš schreibt über Bier, als säße er uns gegenüber – mal plaudernd, mal poetisch, stets mit liebevollem Blick. Seine »Gebrauchsanweisung für Bier« ist kein Lexikon, kein Kurs und ganz bestimmt keine trockene Abhandlung. Es ist eine Reise: durch Tschechien, Deutschland, Europa – und durch die Kulturgeschichte eines Getränks, das Menschen seit Jahrhunderten verbindet.
Geschichten, die perlen wie ein frisch gezapftes Pils
Rudiš erklärt nicht, wie man Maische rührt oder Hopfen kocht. Er erzählt. Von Wirtshäusern, in denen die Zeit langsam tickt; von Kellnern, deren Bewegungen präziser sind als jede Stoppuhr; von Biernamen, die klingen wie Musik. Seine Stärke liegt im Verweben: persönliche Erinnerungen, historische Splitter, Beobachtungen aus Bahnabteilen und Bahnhofskneipen. So entsteht ein Mosaik, das Bier als Lebensgefühl zeigt – manchmal wehmütig, oft augenzwinkernd. Man liest von Brauereigassen, Stadtvierteln, Grenzräumen. Und merkt: Hier wird nicht deklamiert, hier wird zugehört, geschaut, geschmeckt – in Worten.
Zwischen Poesie und Schaumkrone
Der Ton pendelt zwischen heiterer Erzählung und literarischem Innehalten. Rudiš schreibt, als würde er einen Krug anstoßen: behutsam, warm, mit Witz. Bier erscheint als verbindendes Element, als Ritual, als Identitätsanker – in Prag ebenso wie in Plauen oder Pilsen, in Krakau oder Kopenhaben, in Berlin oder Brüssel. Wir hören beim Lesen das Klirren der Gläser und das gedämpfte Raunen des Gastraums. Dass dabei die Sprache perlt, ohne zu schäumen, ist der Kunstgriff: Rudiš schafft Bilder, ohne in Nostalgie-Kitsch zu verfallen.
Unterwegs: Schienen, Städte, Stories
Dieses Buch ist auch Reiselektüre. Es passt in den Rucksack, ins Abteil, auf den Fenstersitz. Beim Rattern der Schienen blättern sich Orte auf: Zapfrituale, Hausbrauereien, Geschichten von Gastfreundschaft – und von der leisen Melancholie zwischen Ankommen und Aufbrechen. Rudiš beobachtet präzise und gönnt den Details Raum: eine Hand am Griff, Kreidestriche am Fass, die kurze Stille, bevor die nächste Runde kommt. So entsteht ein Europa, das sich über Gläser hinweg verständigt.
Kleine Kritik: ein Schluck weniger?
Manchmal gerät der Autor ins Schwärmen. Dann stapeln sich Anekdoten, als wollte er noch schnell das letzte Fass anstechen. Eine Spur Zurückhaltung hätte einigen Passagen gutgetan – weniger wäre hier und da mehr. Und doch: Diese Fülle hat auch Charme. Das Buch ist üppig, nicht nüchtern; es feiert, ohne zu verkleistern. Und wer feiert, darf auch mal nachschenken.
Prost – Cheers – Na zdraví – Santé – Skål
Am Anfang stand das Bild vom frisch gezapften Pils – am Ende bleibt das Gefühl eines Abends, der länger sein dürfte. »Gebrauchsanweisung für Bier« ist eine Liebeserklärung: an ein Getränk, an eine Kultur, an das Miteinander. Wer Bier mag, wird darin baden; wer es liebt, findet neue Gründe. Und wer skeptisch ist? Vielleicht reicht nach der Lektüre ein kleiner Schluck – zum Anstoßen, auf die Geschichten hinter dem Glas.
Prost – Cheers – Na zdraví – Santé – Skål! 🍻
Gebrauchsanweisung für Bier
Jaroslav Rudiš
Piper Verlag, München
ISBN: 978-3-492-27769-5
Preis: 18,00 € (DE) | 18,50 € (AT) | ca. 25,50 CHF (CH)
Text und Foto: Birgit Rieber
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