Interview mit Slow-Brewing

Interview mit Slow-Brewing

Mit dem Gütesiegel des Slow-Brewing Verbands werden nur die besten Brauereien ausgezeichnet. Sie produzieren ihre Biere mit viel Zeit, denn die langsame, schonende Brauweise des Slow Brewing wirkt sich ganz wesentlich auf den besonders runden und ausgereiften Geschmack von Bieren aus.

Dr. August Gresser, der Geschäftsführer von Slow Brewing, äußert sich im Interview, das uns vorliegt, zur Lage der Brauereien und den Stellenwert der Slow-Brewing Brauereien.

Wie interpretieren Sie als Geschäftsführer des Slow-Brewing-Verbands den Rückgang der Anzahl von deutschen Brauereien laut Deutschem Brauer-Bund?

Der deutsche Biermarkt ist mehr denn je geprägt von einem äußerst starken Preis- und Wettbewerbsdruck und einer seit Jahren anhaltenden Absatzkrise infolge eines, aus nicht nur demographischen Gründen, rückläufigen Bierkonsums. Zudem leidet der Biermarkt unter seinen Überkapazitäten.

Nach der Jahrtausendwende verzeichnete Deutschland durch die Craft-Beer-Welle ein Wachstum bei der Anzahl an Braustätten. Corona-bedingt gab es 2022 erstmals wieder weniger Brauereibetriebe. 2022 waren es noch 1.507 Betriebe, also 45 weniger als 2019. Es traf aber nicht nur Craft-Brewer, sondern auch alteingesessene Traditionsbrauereien. Oft war oder ist die Kapitaldecke für die Unternehmen zu dünn, um die pandemiebedingte Durststrecke durchzuhalten. Das betraf insbesondere Craft-Brewer mit ihrer angeschlossen Gastronomie oder der Investitionsstau älterer Braustätten war einfach zu groß. Sicherlich leiden darunter weiterhin noch einige mittelständige Brauereien. Der deutsche Biermarkt ist nach wie vor wenig konsolidiert. Und es ist einer der ausdifferziertesten auf der ganzen Welt.

Wie schätzen Sie die allgemeine Situation von Brauereien im deutschsprachigen Raum innerhalb der multiplen Krisen ein?

Wie das Jahr 2022 zeigte, ist die „Rückeroberung“ der in der Pandemie-Krise verlorenen Hektoliter sehr schwierig. Wobei die derzeit oft verkündeten Absatzzuwächse meist kein reales Wachstum darstellen. Die Brauerei hat dann vermutlich ein strukturelles Problem, d.h. dass die notwendigen Maßnahmen zum Gegensteuern noch nicht ergriffen oder realisiert worden sind.

2023 wird das erste Jahr ohne jegliche Einschränkung in der Gastronomie sein, mit dem man die Zahlen aus 2019 definitiv vergleichen und beurteilen kann. In Anbetracht der rasanten Kostensteigerungen für Roh- und Hilfsstoffe, Energie, Transport, Gebinde- und Produktausstattungsmittel bedingt durch den Ukraine-Krieg, sowie der Erhöhung des Mindestlohns wird 2023 ein extrem schwieriges Jahr für die Brauereien werden. Zudem kommen die nicht nachvollziehbaren Aktionen der Handelsketten, wo v.a. deutsche Fernsehbiere mit unterirdischen Preisen unter den Hammer kommen. Eine vergleichbare Aktionitis erfahren übrigens auch unsere österreichischen Brauereikollegen.

2023 wird also hinsichtlich Kosten, Rendite, Jahresgesprächen mit Handelsketten, Tarifverhandlungen mit den Sozialpartnern und Absätze in Handel und Gastronomie sehr schwierig und es wird nicht allen Brauereien gelingen – weder mengenmäßig noch kostenmäßig – auf das 2019-er Ergebnis zu kommen. Darauf müssen sich die Brauereien einstellen und entsprechend reagieren.

Wie schätzen Sie insbesondere die Situation der Brauereien ein, die Mitglied im Slow-Brewing-Verband sind?

Ich denke, unsere Slow Brewer sind, obwohl wir insgesamt eine sehr heterogene Mitgliederzusammensetzung darstellen, robust und solide aufgestellt. Vor der Aufnahme in den „Club der Prädikatsbrauereien“ wird ein potenzielles Mitglied auf sogenannte weiche und harte Faktoren geprüft. Es geht hier um die Sicherstellung nachhaltiger Unternehmensführung, der allgemeine Zustand der Braustätte, um die Brautechnik, die Energiewirtschaft und das Umweltmanagement. Es handelt sich bei unseren Verbandsmitgliedern um inhabergeführte Unternehmen, die bereits meist über mehrere Generationen hin geführt wurden. Ziel unserer Slow Brewer ist, ihr Unternehmen „enkeltauglich“ zu machen, d.h. eine Zukunft zu schaffen, die auch für die nachfolgende Generation ein sinnstiftendes wirtschaftliches Wirken mitdenkt.

Warum sind einige von ihnen wie die Westerwälder Brauerei oder die Welde Brauerei trotz aller Umstände so erfolgreich in ihrer Region?

Alle unsere Mitgliedsbrauereien sind mit ihrer Region stark verwurzelt: Sie fördern die regionale Kreislaufwirtschaft, stärken die kulturelle Identität der Region, sind offen für Innovationen und transparent für ihre Konsumenten und sie stellen hervorragende Bierspezialitäten her. Slow Brewer haben nichts zu verstecken. Trotz enormen Kostensteigerungen in der Brauerei in diesen multiplen Krisen jammern sie auch nicht, sondern reagieren. Das kommt beim Konsumenten an! Sie sehen der Zukunft positiv entgegen. Das Glas ist somit immer eher halb voll, als halb leer.

Warum hat Bierbrauen aus Slow-Brewing-Sicht weiterhin eine Zukunft?

In Deutschland gibt es aktuell 1.503 Braustätten, die zusammen rund 7.000 verschiedene Biere herstellen und jedes mit einem ganz charakteristischen Aromaprofil ausstatten. Also eine riesig große und abwechslungsreiche Bierlandschaft – vom Pils, Hell, Export, Weißbier über das Kölsch in Köln bis hin zum Rauchbier in Bamberg. Deutsches Bier ist auf der ganzen Welt ein Begriff. Am Ende zählt aber die Qualität, deshalb verpflichten sich die Slow Brewer, ihre Biere monatlich vom „Weihenstephaner Bierkarussell“ der TU München überprüfen zu lassen. Sie wissen daher stets, wie es um ihre Bierqualität steht. Eine permanente Herausforderung, die sich lohnt.

Auch der Austausch innerhalb der Partnerbrauereien trägt als softer Faktor zur Stärkung der Resilienz bei und ist ein wertvoller Bestandteil unseres gemeinsamen Wirkens.
Es ist schwer vorstellbar, dass ein Konsument auf die Vielfalt eines so einzigartigen und tollen Lebens- und Genussmittels verzichten möchte: Stehen wir Slow Brewer doch alle neben unserem Bekenntnis zu Nachhaltigkeit und Regionalität, für einen herausragenden Geschmack und ein gutes Gewissen beim Genießen.

Das Interview erscheint morgen in der Getränke Zeitung.

Foto: Slow Brewer beim Treffen in der Hachenburger Brauerei. © Slow Brewing

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